Interview mit Sabrina Sandfuchs: ADHS, Trennung und wie Eltern ihre Kinder begleiten können

von | Juli 23, 2025 | Blog, Trennung | 0 Kommentare

Last Updated on 23. Juli 2025 by Claudia

Manchmal fühlt sich das Leben als Eltern ganz schön herausfordernd an – besonders, wenn das eigene Kind vielleicht mit ADHS lebt und dann auch noch eine Trennung ins Haus steht. Die vielen Fragen, Unsicherheiten und Ängste können schnell überhandnehmen. Genau deshalb freue ich mich, dass ich heute mit Sabrina Sandfuchs sprechen darf, einer Expertin für ADHS, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, Buchautorin und Gründerin von „Timo Therapiefuchs“. Sabrina bringt nicht nur ein riesiges Wissen mit, sondern auch ganz viel Herz und Verständnis für Familien in schwierigen Situationen.

In unserem Gespräch räumen wir mit Mythen rund um ADHS auf, schauen, wie man ADHS bei Kindern erkennen kann, was eine Diagnose wirklich bringt und wie Eltern ihre Kinder – auch in herausfordernden Phasen wie einer Trennung – liebevoll und stark begleiten können. Wenn du dich also fragst, wie du dein Kind mit ADHS besser verstehen und unterstützen kannst, bist du hier genau richtig. Lass uns gemeinsam in dieses wichtige Thema eintauchen.

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Zu Beginn möchte ich Sabrina vorstellen, denn sie ist eine ganz besondere Persönlichkeit. Sabrina ist nicht nur eine leidenschaftliche Expertin für ADHS, sondern auch ein großer Harry-Potter-Fan. Sie hat ein wunderbares Buch geschrieben, das sich damit beschäftigt, wie man Kinder und Jugendliche mit ADHS durch gewaltfreie Kommunikation stärken kann. Und dann gibt es da noch Timo Therapiefuchs – eine kleine Figur, die Sabrina eigens für ihre Arbeit mit Kindern entwickelt hat.

Sabrina erzählt, dass sie sich 2021 selbstständig gemacht hat und überlegte, wie sie sowohl Eltern als auch Kinder ansprechen kann. Denn für Kinder ist es oft schwierig, über ihre Herausforderungen zu sprechen. Deshalb gibt es Timo Therapiefuchs, einen kleinen, weisen Fuchs, der Kindern hilft, die Themen rund um ADHS spielerisch anzugehen. Während Sabrina selbst meistens mit den Eltern arbeitet, ist Timo der Ansprechpartner für die Kinder. Das macht die Arbeit für alle Beteiligten leichter und verständlicher.

Ein Tipp von Sabrina Sandfuchs: „Kinder brauchen oft eine andere Sprache und andere Zugänge, um ihre Schwierigkeiten zu benennen. Deshalb ist es so wertvoll, mit Figuren wie Timo zu arbeiten, die ihnen auf Augenhöhe begegnen.“

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ADHS oder ADS – wo liegt der Unterschied?

Viele Eltern hören oft die Begriffe ADHS und ADS, wissen aber nicht genau, was der Unterschied ist. Sabrina erklärt, dass diese Unterscheidung eigentlich veraltet ist. Früher dachte man, ADHS sei mit Hyperaktivität verbunden, während ADS eher ohne diese Symptome auskommt. Heute weiß man, dass Hyperaktivität viel vielfältiger ist – sie muss nicht immer laut und sichtbar sein, sondern kann sich auch subtil zeigen, wie etwa durch nervöses Wippen mit dem Knie oder das Spielen mit Haaren oder Schmuck.

Im aktuellen Diagnosesystem, dem ICD-11, gibt es keine getrennten Begriffe mehr, sondern drei Subtypen von ADHS: den unaufmerksamen Typ (früher als ADS bezeichnet), den hyperaktiv-impulsiven Typ und den gemischten Typ. Die meisten Betroffenen zeigen eine Mischung der Symptome.

 

Woran erkenne ich ADHS bei meinem Kind?

Sabrina erklärt, dass ADHS drei Kernsymptome hat: Hyperaktivität, Impulsivität und Aufmerksamkeitsprobleme. Besonders die Aufmerksamkeitslenkung ist eine Herausforderung – nicht unbedingt die Konzentration an sich. Wenn ein Kind zum Beispiel mit Begeisterung Lego baut, kann es sich wunderbar konzentrieren. Aber wenn es sich auf den Matheunterricht konzentrieren soll, der ihm keinen Spaß macht, wird es schwierig.

Das Problem liegt oft darin, dass Kinder mit ADHS keinen Reizfilter haben. Sie nehmen alle Geräusche und Eindrücke gleich stark wahr – sei es das Rascheln im Mäppchen des Sitznachbarn, Autos draußen oder die Stimme der Lehrerin. Das macht es schwer, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und nicht abgelenkt zu werden.

Besonders im Schulalltag fallen solche Schwierigkeiten auf, da dort die Anforderungen steigen. Eltern sollten deshalb genau beobachten, wie ihr Kind sich verhält: Ist es impulsiv? Hat es Schwierigkeiten, stillzusitzen oder zu warten? Zeigt es starke und wechselnde Gefühle? Kinder mit ADHS sind oft sehr gefühlstark und können von null auf hundert in Sekundenschnelle umschalten.

Ein Tipp von Sabrina Sandfuchs: „Bleib im Gespräch mit deinem Kind und den Lehrkräften. Nur so kannst du verstehen, wo die Schwierigkeiten liegen und wie du dein Kind gezielt unterstützen kannst.“

 

Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen bei ADHS

Ein spannendes Thema ist die Frage, ob ADHS bei Jungen und Mädchen unterschiedlich aussieht. Sabrina erklärt, dass die Diagnosekriterien lange Zeit vor allem auf den hyperaktiven Jungen ausgerichtet waren. Deshalb wurden Mädchen oft übersehen, weil sie ihre Symptome besser maskieren können. Sie lernen häufig, ihre Impulse zu kontrollieren und fallen nicht durch lautes oder störendes Verhalten auf.

Viele Mädchen mit ADHS wirken eher verträumt oder haben Schwierigkeiten, sich zu strukturieren, was oft als „Unaufmerksamkeit“ abgetan wird. Die Diagnose bei Mädchen und Frauen wird deshalb zunehmend häufiger gestellt, da das Bewusstsein für diese Unterschiede wächst. Aktuell sieht man im Erwachsenenalter eine annähernd gleiche Verteilung von Männern und Frauen mit ADHS, was darauf hindeutet, dass viele Mädchen früher übersehen wurden.

Ein Tipp von Sabrina Sandfuchs: „Lehrkräfte und Eltern sollten auch auf die leisen Symptome achten, nicht nur auf das offensichtliche Verhalten. Mädchen mit ADHS brauchen genauso Unterstützung wie Jungen.“

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Wer kann ADHS diagnostizieren und wie läuft das ab?

Die Diagnose ADHS dürfen nur Fachleute mit Approbation stellen, also Ärzte und Psychotherapeuten. Bei Kindern sind das meist Kinder- und Jugendpsychiater oder Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Auch Kinderärzte können Diagnosen stellen, wenn sie darauf spezialisiert sind – das ist aber eher selten. Im Erwachsenenalter sind Psychiater und spezielle Diagnosezentren die Ansprechpartner.

Leider gibt es oft lange Wartezeiten, weil die Nachfrage groß ist und das Gesundheitssystem überlastet ist. Das macht den Weg zur Diagnose manchmal langwierig und frustrierend für Familien.

Nach der Diagnose sollte unbedingt eine umfassende Beratung und Unterstützung folgen, denn eine Diagnose ist nur der Anfang. Sabrina betont, wie wichtig es ist, dass Eltern nicht nur eine Diagnose bekommen, sondern auch erfahren, was sie konkret tun können, um ihr Kind zu unterstützen.

 

Was passiert nach der Diagnose?

Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Symptome. Bei schweren Formen wird oft eine medikamentöse Behandlung empfohlen, weil die Kinder sonst nicht in der Lage sind, andere Hilfen aufzunehmen. Bei leichteren oder mittleren Formen können Ergotherapie, Neurofeedback oder Psychotherapie gute Unterstützung bieten.

Besonders wichtig ist die Elternarbeit. Sabrina macht deutlich: ADHS ist keine Folge schlechter Erziehung und kein Fehler der Eltern. Trotzdem ist es entscheidend, dass Eltern lernen, wie sie ihr Kind fördern und eine passende Umgebung schaffen können.

Ein Tipp von Sabrina Sandfuchs: „Eltern sollten sich Unterstützung holen, sei es durch Psychotherapeuten, Coaches oder Familienberatungsstellen. Es ist keine Schwäche, Hilfe anzunehmen, sondern ein wichtiger Schritt.“

Warum ist eine ADHS-Diagnose so wichtig?

Manche Eltern haben Angst, dass ihr Kind sich mit einer Diagnose „ausruhen“ könnte oder stigmatisiert wird. Sabrina räumt mit diesem Mythos auf und erklärt, dass die Diagnose vor allem Türen öffnet – zu Therapien, Hilfen und Verständnis.

Ohne Diagnose gibt es oft keine Unterstützung vom Gesundheitssystem. Zudem bringt die Diagnose eine Erklärung für das Verhalten und hilft Kindern und Eltern, sich selbst besser zu verstehen. Dieses Verständnis ist kein Freifahrtschein, sondern ein Werkzeug, um besser mit den Herausforderungen umzugehen.

Sabrina weist auch auf die möglichen Folgen einer unbehandelten ADHS hin: Bei Jungen kann es zu dissozialem Verhalten und Suchtproblemen kommen, bei Mädchen eher zu Selbstzweifeln, Leistungsängsten und Depressionen. Deshalb ist es so wichtig, frühzeitig Hilfe zu suchen, sobald ein Leidensdruck besteht.

 

ADHS und Trennung – was passiert mit den Kindern?

Ein besonders sensibles Thema ist die Trennung der Eltern, wenn ein Kind mit ADHS in der Familie lebt. Sabrina erklärt, dass die Belastung für Kinder mit ADHS durch eine Trennung oft größer sein kann, weil sie sehr feinfühlig und empathisch sind. Sie nehmen viel wahr und brauchen klare Strukturen und Sicherheit.

Auch wenn jedes Kind eine Trennung als Krise erlebt, können sich bei Kindern mit ADHS die Symptome in solchen Phasen verstärken – sie werden schneller wütend, ziehen sich zurück oder zeigen mehr Schwierigkeiten in der Schule. Doch Sabrina betont, dass eine Trennung nicht automatisch schlecht sein muss. Wenn der Elternstreit vorher groß war, kann die Trennung sogar eine Erleichterung sein.

Wichtig ist, dass die Eltern trotz Trennung gemeinsam klare Strukturen schaffen, den Kindern Sicherheit geben und die Therapie und Unterstützung des Kindes weiterhin gewährleisten. Das gemeinsame Sorgerecht bringt hier oft organisatorische Herausforderungen, die gut abgestimmt werden müssen.

Ein Tipp von Sabrina Sandfuchs: „Informiert Therapeuten, Lehrkräfte und Erzieher über die Trennung, damit alle Bezugspersonen das Verhalten des Kindes besser einordnen können und es gezielt unterstützen können.“

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Wie können Eltern ihr Kind mit ADHS unterstützen?

Sabrina gibt viele praktische Tipps, wie Eltern ihr Kind im Alltag begleiten können. Das Wichtigste ist, dass Eltern selbst verstehen, wie das ADHS-Gehirn funktioniert – zum Beispiel, dass es keinen Reizfilter gibt und die Zeitwahrnehmung anders ist.

Ein Beispiel: Für Kinder mit ADHS ist Zeit oft nur „jetzt“ oder „nicht jetzt“. Die Vorstellung, dass fünf Minuten noch zum Spielen bleiben, ist für sie schwer greifbar. Deshalb helfen sichtbare Timer oder Sanduhren, die Zeit greifbar zu machen.

Auch das Erkennen von Überforderungssignalen ist zentral. Sabrina empfiehlt, mit Kindern eine Ampel einzuführen – grün heißt alles gut, gelb bedeutet erste Reizüberflutung, rot ist der Wutanfall oder Zusammenbruch. Ziel ist es, frühzeitig zu reagieren, bevor das Kind im roten Bereich landet.

Ein Tipp von Sabrina Sandfuchs: „Erkläre deinem Kind, dass sein Gehirn anders funktioniert, aber das ist keine Schwäche. Gemeinsam könnt ihr Strategien entwickeln, die helfen, den Alltag besser zu meistern.“

Besonders wichtig ist auch, die Stärken des Kindes zu sehen und zu fördern. Kinder mit ADHS haben oft einen sogenannten Hyperfokus – sie können sich in Themen vertiefen, die sie interessieren, und darin richtig großartig sein. Viele erfolgreiche Erfinder hatten ADHS, weil sie auf ihre ganz eigene Weise die Welt voranbringen.

 

Das Buch von Sabrina Sandfuchs und Birte Müller-Rosenau – ein wertvoller Begleiter

Zusammen mit Birte Müller-Rosenau hat Sabrina das Buch „Die Kraft der Worte bei ADHS: Kinder und Jugendliche mit Gewaltfreier Kommunikation stärken“ geschrieben, das Eltern praktische Hilfe bietet. Es ist kein klassischer Ratgeber, der nur Wissen vermittelt, sondern ein echtes Coaching in Buchform. Es erklärt ADHS, gewaltfreie Kommunikation und zeigt ganz konkrete Lösungen für den Alltag.

Das Buch behandelt Themen wie Wut, Traurigkeit, Angst und Freude bei Kindern mit ADHS und gibt Antworten auf typische Fragen, die Eltern oft haben. Es enthält Formulierungshilfen für Gespräche mit Kindern und Tipps, wie man auch den Partner ins Boot holen kann, wenn er skeptisch ist.

Ein weiterer wichtiger Teil ist die Selbstfürsorge für Eltern. Sabrina betont, wie wichtig es ist, dass Eltern auf sich selbst achten, denn nur wenn es ihnen gut geht, können sie ihre Kinder wirklich gut begleiten.

Ein Tipp von Sabrina Sandfuchs: „Selbstempathie kommt vor Empathie für andere – das ist der Schlüssel, um als Familie gut durch herausfordernde Zeiten zu kommen.“

Ein ultimativer Tipp an Eltern mit ADHS-Verdacht

Zum Schluss habe ich Sabrina gefragt, was sie Eltern raten würde, die vermuten, dass ihr Kind ADHS hat, aber unsicher sind, was sie tun sollen. Ihre Antwort ist eine Einladung, den ersten Schritt zu wagen:

„Atme tief durch. ADHS ist nicht das Ende der Welt. Schreibe auf, was dir auffällt, welche Schwierigkeiten dein Kind hat. Suche dir jemanden, der sich auskennt – eine Familienberatungsstelle, einen Coach oder Therapeuten – und sprich darüber. Du bist nicht allein. Hol dir Unterstützung, das ist kein Fehler, sondern ein mutiger Schritt.“

Sie empfiehlt auch, sich mit anderen Eltern zu vernetzen, zum Beispiel in Facebook-Gruppen, um zu merken, dass man mit den Herausforderungen nicht alleine ist. Und vor allem: sich nicht von der Flut an Informationen überwältigen lassen, sondern Schritt für Schritt vorgehen.

 

Interview Claudia Kielmann ADHS nicht Ende der Welt

Abschließende Gedanken von mir

Ich finde, Sabrina hat mit so viel Wärme, Klarheit und Praxisnähe gesprochen, dass ich mich wirklich ermutigt fühle, wenn ich an Eltern denke, die gerade mit dem Thema ADHS und vielleicht auch Trennung kämpfen. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, nicht nur das Kind, sondern die ganze Familie im Blick zu haben – mit all ihren Bedürfnissen, Stärken und Herausforderungen.

Vielleicht hast du dich in dem einen oder anderen Punkt wiedererkannt oder bist gerade selbst mitten in so einer Phase. Meine Frage an dich: Wie kannst du heute einen kleinen Schritt machen, um deinem Kind mehr Sicherheit und Unterstützung zu geben? Manchmal reicht es, sich einfach jemanden zu suchen, mit dem man reden kann. Denn damit beginnt Veränderung.

Ich danke Sabrina von Herzen für dieses Gespräch und hoffe, dass du viele wertvolle Impulse mitnehmen konntest. Wenn du mehr erfahren möchtest, schau dir unbedingt ihr Buch und ihre Angebote an – es lohnt sich wirklich.

 

Möchtest du für dich eine unterstützende Hilfestellung beim Thema Trennung, dann melde dich bei mir für ein kostenloses Kennenlerngespräch an. So können wir gemeinsam klären, wie eine für dich passende Unterstützung aussehen kann.

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Wer schreibt hier?

Portraitfoto Claudia Kielmann, Coach "Stark nach Trennung"

Ich bin Claudia, und als Trennungscoach unterstütze ich Frauen in Trennungssituationen. In meinen Blogbeiträgen findest du mein Wissen und meine Erfahrungen rund um die Themen "Trennung" und "Persönlichkeits-entwicklung".


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